Exzentrische Freunde lösen Verwunderung aus

15. Dezember 2011 at 13:15 Hinterlasse einen Kommentar

Man muss sich einen mehr oder weniger grauen Tag im brav-biederen Celle vorstellen. Das Gebäude des hiesigen Kreistags. Eine Feierstunde zum 125. Geburtstag des Landkreises mit Festreden, ein wenig klassischer Musik und vielen dunklen Anzügen. Ein Pflichttermin für den damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff, den er mit Routine, auch schon einer gewissen präsidialen Aura absolviert. Er ist mehr als sieben Jahre in diesem Amt. Er repräsentiert das Land Niedersachsen würdig.

Da fährt auf einmal ein kanarien-gritzegrell-gelber Sportwagen vor Celles graues Landkreisparlament, ein Ferrari, wenn nicht alles täuscht, platt wie eine Flunder. Es steigt ein gut gegelter, älterer Herr aus, mit Sonnenbrille, offenem Kragen, roter Hose, blauem Sakko, goldenen Knöpfen. Er eilt auf Wulff zu, den Ministerpräsidenten.

Die beiden Ungleichen grüßen sich, herzen sich, kennen sich. Celle, die Menschen ringsum, wundert sich ein wenig. Niedersachsens zurückhaltender, würdevoller Ministerpräsident und ein offensichtlicher Egozentriker, den man auf den ersten Blick eher Richtung Reeperbahn verorten würde?

Wulff scheut dieses Bild nicht, lässt es zu, ohne Arg. Der Sportwagen-Fahrer ist ein alter Bekannter des Ministerpräsidenten, ein privat offensichtlich etwas exzentrischer, beruflich gut beleumundeter Arzt, den Wulff schon lange kennt. Und dessen Sohn gerade ein Praktikum in der niedersächsischen Staatskanzlei absolviert.

Man kennt sich, und man hilft sich natürlich. Der Vater nimmt den Sohn, der Wulff an diesem Tag nach Celle begleitet hat, mit nach Haus. Alles ganz normal. Aber irgendwie auch ein bisschen schräg. Manchmal verrutschen beim heutigen Präsidenten die Bilder. Aber auch beim Blick auf Wulff.

Es ist nach Bekanntwerden der Kredit-Affäre des Präsidenten der Eindruck kolportiert worden, Wulff habe seinem väterlichen Freund und Förderer Egon Geerkens quasi im Gegenzug für seinen Hauskredit zu einer Teilnahme an einer Delegationsreise des Ministerpräsidenten verholfen.

Das ist etwas realitätsfremd, weil es unterstellt, das Mitfahren in solchen Delegationen wäre die pure Freude und eine Staatskanzlei könne sich kaum retten vor Interessenten. In Wahrheit ist es oft schwierig, überhaupt eine für die Wirtschaft des Gastlandes interessante Delegation zusammenzustellen.

Viel wahrscheinlicher ist es, dass umgekehrt Geerken auf einer Reise nach Indien und China von Wulffs Finanznot nach seiner Scheidung erfahren hat und ihm dann – man kennt sich, man hilft sich – zu dem Privatkredit verholfen hat. Das träfe das Verhältnis der beiden vermutlich genauer.

Andererseits kann man über den Schrott-, Schmuck- und Immobilienhändler Geerkens auch lesen, dass er in seinen jüngeren Jahren ebenfalls zur Extravaganz geneigt hat, zum Luxusleben und zur Protzerei. Inzwischen, nach einer Krebserkrankung, lebt Geerkens zurückgezogen in der Schweiz.

Er steht zu seinem Ziehsohn, und der Ziehsohn steht zu ihm. Alles andere wäre ja auch noch schöner nach all den Jahren. Aber die Vorstellung, dass der sich immer bescheiden gebende Wulff seine erste Hochzeit in dem nicht ganz so bescheidenen Penthaus der Geerkens gefeiert hat, passt eben nicht so richtig. Andererseits passt Wulff selbst eben auch nicht so richtig in die Klischees, die gerade aus den Schubladen gezogen werden.

Christian Wulff ist kein originäres Mitglied jener Hannover-Connection, die sich um seinen Vorgänger, den späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder, gebildet hatte und um Götz von Fromberg, den Chef der „Frogs“, der „Friends of Gerd“.

Er hat nicht wie Schröder bei „Plümecke“ Currywurst verschlungen und alle Nase lang bei Fromberg im Keller gekrökelt. Wulff war in Hannovers Promi-Szene, gerade in seiner langen Zeit als Oppositionsführer, eher ein provinzieller Außenseiter mit Verlierer-Image.

Wer mag, kann aus dieser Ausgangslage ein gewisses Nachholbedürfnis in Sachen Glanz und Glamour und Anerkennung destillieren.

In dieser Ausgangslage käme in Hannover kaum einer an Carsten Maschmeyer vorbei, den Gründer des Finanzdienstleisters AWD, der einst Gerhard Schröders Ambitionen unterstützt hat und später auch die von Hannover 96. Die VIP-Tribüne des Vereins in der, ja, AWD-Arena ist der Platz der Landeshauptstadt, wo man sich mal sehen lassen muss, wenn man wissen will, wer mit wem und vor allem gegen wen gut kann. Ein vorsichtiger Typ wie Christian Wulff, der sicherheitshalber die Schals aller wichtigen niedersächsischen Fußballvereine im Kofferraum seiner Staatskarosse mitführte, hat da gar keine andere Chance.

Man kann jetzt lange spekulieren, ob die Beziehung des Präsidentenpaares Wulffs zu Maschmeyer und seiner neuen Partnerin Veronica Ferres privater Sympathie oder doch einer Kosten-Nutzen-Rechnung entspringt. Fakt ist, dass Christian Wulff auch zu Beginn seiner Präsidentschaft, von ihm selbst unbemerkt, die Bilder verrutschen, die er produziert.

Urlaub in der Villa eines Multimillionärs, dessen Image aus Mini-Pli und nicht ganz koscheren Geschäften geprägt ist, passt nicht zum höchsten Staatsamt. Wieder fällt der private Wulff etwas aus jenem Rahmen, den der öffentliche Wulff sich selbst gesetzt hat.

Es ist merkwürdig, dass Olaf Glaeseker das Zustandekommen dieses image-ramponierenden Urlaubs nicht verhindert hat. Der gelernte Journalist ist zumindest beruflich Wulffs engster Vertrauter, einer von zwei führenden Mitarbeitern, die der Bundespräsident aus Hannover mit ins Schloss Bellevue genommen hat. Glaeseker, Sprecher des Präsidenten, gilt bei politischen Beobachtern als einer der besten Spin-Doctors bundesweit.

Wulffs Erfolg, auch sein Wandel vom Wahlverlierer zum Anwärter auf höchste Ämter, wird zu einem nicht ganz kleinen Teil ihm zugeschrieben. Eigentlich unvorstellbar, dass Glaeseker die Gefahr, die im Mallorca-Urlaub der Wulffs bei den Maschmeyers lauerte und ebenso in der Sonderbehandlung, die Air-Berlin-Chef Klaus Hunold den Wulffs zugestanden hatte, nicht erkannte.

Ein echter Medienfuchs, eine Image-Trottelei sondergleichen. Passt auch nicht zusammen. Verrutschte Welt.

Noch eine Szene. Ein Hotel in Peking. Eine Wirtschaftsdelegation aus Niedersachsen ist gerade angekommen. An ihrer Spitze der niedersächsische Ministerpräsident. Kaum da, stürmt RWE-Chef Jürgen Großmann auf ihn zu, zieht ihn zu Seite, trifft sich später mit ihm. Großmann versucht den Politiker für seine Positionen zur Kernenergie zu gewinnen.

Er hat Papiere mitgebracht, auf dem alles steht, was man wissen muss. Der Ministerpräsident, überrumpelt, nimmt sie entgegen. Später wird er eine Meinung vertreten, die weit von jener Großmanns entfernt ist. Der Ministerpräsident heißt David McAllister.

Er ist Wulffs Nachfolger in Niedersachsen, ein langjähriger Weggefährte des Bundespräsidenten, kein Freund. McAllister lebt in Bad Bederkesa nicht weit von Bremerhaven. Großmann, der Gerd Schröder gut kennt und auch Christian Wulff, betreibt ein erstklassiges Restaurant schräg hinter dem Osnabrücker Rathaus. Er hatte offenbar anderes erwartet.

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