Rupert Stadler muss in U-Haft bleiben

16. Juli 2018 at 06:21 Hinterlasse einen Kommentar

Betriebswirtschaftler an der Spitze von Autokonzernen haben immer ein wenig den Makel, dass ihnen das Benzin im Blut fehlt. Die Beschäftigten unterstellen den Managern dann gerne, dass sie keine Ahnung vom Autobau haben. Der beurlaubte Audi-Chef Rupert Stadler ist Betriebswirt. Er hätte jetzt die Gelegenheit, eventuelle Praxis-Defizite auszubügeln.

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Denn das Gefängnis Augsburg-Gablingen, in dem Stadler wegen der Abgas-Affäre in Untersuchungshaft sitzt, hat eine Kfz-Werkstatt mit Hebebühne mit allem Drum und Dran. Neben der Reparatur und dem Aufbereiten von Autos werden dort auch TÜV und Abgas-Sonderuntersuchungen angeboten. Der 55-jährige Automanager hätte die Zeit für ein Praktikum. Entgegen ersten Spekulationen ist er nach drei Wochen immer noch nicht gegen Kaution frei.

Die psychische Belastung für den Audi-Chef ist riesig. Sein großzügiges Vorstandsbüro und seine Villa hat er gegen eine rund zehn Quadratmeter große Zelle eingetauscht. Statt Manager trifft er nun Mordverdächtige. Erst vor wenigen Tagen ist ein 32-jähriger Mann in die JVA gekommen, der versucht haben soll, seinen Vater im Schlaf mit einem Brecheisen zu erschlagen. Zuletzt saßen in Gablingen der Bordellbetreiber Prinz Marcus von Anhalt, der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Linus Förster oder der Doppelmörder von Hirblingen ein.

Nach Informationen der Redaktion unseres Hauses steht Stadler im Augsburger Gefängnis unter psychologischer Betreuung. Seine Frau und seine drei Kinder können ihn höchstens vier Mal im Monat für je eine halbe Stunde besuchen. Der Spitzenmanager trägt keinen feinen Zwirn, sondern blaue Anstaltskleidung. Statt teurer Business-Lunches gibt es jetzt Pichelsteiner Eintopf. Und heute Mittag Chili con Carne. Auf Wunsch auch fleischlose Kost. Die Gefangenen dürften sich zwar Essen kommen lassen, sie verzichten aber zumeist darauf. So wie Stadler. Er verhält sich unauffällig und versucht, irgendwie in dieser fremden Welt zurechtzukommen.

Rupert Stadler sitzt zu Hause in seiner Villa im Ingolstädter Westviertel auf gepackten Koffern. Mittags ist VW-Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg. Doch der Audi-Chef kann die Dienstreise nicht antreten. Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft München II rollen an. Sie durchsuchen das Privathaus und nehmen Stadler mit. In der Diesel-Affäre werden ihm Betrug und „mittelbare Falschbeurkundung“ vorgeworfen. Er soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den Vereinigten Staaten keinen Vertriebsstopp für Audi-Fahrzeuge angeordnet haben. Dass er verhaftet wird, liegt vor allem an einem verdächtigen Telefonat, das die Ermittler abgehört haben. Stadler soll darüber gesprochen haben, gegen Zeugen vorzugehen und einen Audi-Mitarbeiter zu beurlauben, der in der Affäre ausgesagt hat. Verdunklungsgefahr, nennen das die Staatsanwälte.

Seither ist Rupert Stadler mehrfach im Gefängnis von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Sein Verteidiger Thilo Pfordte war immer mit dabei. Anscheinend bestreitet Stadler weiterhin, in die Abgas-Affäre verwickelt zu sein. Jedenfalls ist es dem Anwalt und dem Audi-Chef bisher nicht gelungen, den Verdacht zu zerstreuen. Eine Haftbeschwerde hat Pfordte bislang nicht eingelegt. Für diese Woche sind weitere Vernehmungen geplant. Damit bestätigt die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München II, Andrea Mayer, Informationen unserer Zeitung. Eine gesetzlich vorgeschriebene Haftprüfung findet erst nach sechs Monaten statt. Rupert Stadler muss sich auf einen längeren Gefängnisaufenthalt einstellen.

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Konkret bedeutet das: Leben in einer Zehn-Quadratmeter-Zelle mit Bett, Stuhl, Tisch, Schrank. Die WC-Kabine ist abgetrennt. In älteren Gefängnissen hängt nur ein Vorhang um die Kloschüssel. Gablingen ist aber Bayerns modernster Knast. Duschen können die Insassen nur in Gemeinschaftsräumen. Einen Fernseher kann sich jeder mieten oder kaufen, Kabel- und Stromgebühren muss er selbst zahlen. Zeitungen und Zeitschriften kann man sich liefern lassen. Handys, Laptops und Internet sind verboten, erklärt der stellvertretende Anstaltsleiter Stefan Loh. Ausnahmen: wenn die Gefangenen Einsicht in ihre Ermittlungsakten nehmen oder ein Bewerbungsschreiben aufsetzen wollen.

Der Alltag ist streng getaktet: Wecken ab 6.30 Uhr, anschließend Frühstück. Danach können die Häftlinge Sport treiben oder sich freiwillig zur Arbeit melden. Für Strafgefangene besteht Arbeitspflicht, Untersuchungshäftlinge müssen nicht arbeiten. Das Mittagessen wird bereits ab 11 Uhr ausgegeben. Danach geht es wieder zur Arbeit oder in die Zelle. Alle dürfen täglich eine Stunde zum Hofgang raus. Ab 16.30 Uhr ist „Aufschluss“: Die Gefangenen dürfen sich treffen, plaudern, Spiele spielen. Oder zum Gitarrenunterricht. Spätestens um 20.30 Uhr ist „Einschluss“: Alle müssen in ihre Zellen. Dann ist jeder für sich allein.

Eine Sonderbehandlung gibt es für prominente Häftlinge nicht“, betont der stellvertretende Gefängnis-Chef Stefan Loh. Nur wenn die Sicherheit des „Promis“ gefährdet ist, dann greifen die Verantwortlichen zu Schutzmaßnahmen. FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß, der wegen Steuerhinterziehung in der JVA Landsberg saß, sah praktisch während seines gesamten Aufenthalts keine normale Zelle. Er blieb auf der Krankenstation, wo er besser zu überwachen war. Später kam heraus, dass es Erpressungsversuche gab. Derlei ist im Fall Rupert Stadler bisher nicht bekannt. Der beurlaubte Audi-Chef ist einfach einer von derzeit rund 550 Insassen.

Wenn der prominente Häftling arbeiten wollte, hätte er mehrere Möglichkeiten: Wäscherei, Küche, Gebäudereinigung, Gartenpflege, Bücherei. Oder eben in einem der Eigenbetriebe der JVA Augsburg-Gablingen: Bau, Malerei, Friseur. Aber: Ein Automanager, der Haare schneidet?

Schwer vorstellbar. Da würde ein Einsatz in der Auto-Werkstatt mehr Sinn ergeben. Viele Gefängnisse in Bayern haben eine Kfz-Werkstatt. Prinzipiell kann jeder sein Auto dorthin zum TÜV oder zur Reparatur bringen – vorausgesetzt, man stört sich nicht an den speziellen Bedingungen.

Doch selbst, wenn Rupert Stadler in der Gefängnis-Werkstatt arbeiten wollte, hängt der Einsatz von zwei Faktoren ab, wie Stefan Loh erklärt: Es muss überhaupt erst einen Platz geben. Verurteilte Strafgefangene werden gegenüber Untersuchungshäftlingen bevorzugt. Und der Insasse muss geeignet sein für die Arbeit. Um das herauszufinden, unterzieht der Kfz-Meister der Gefängnis-Werkstatt den Häftling einer eingehenden Prüfung. Und er entscheidet letztlich, was passiert. Loh sagt: „Ein Akademiker mit zwei linken Händen bringt uns in der Kfz-Werkstatt schließlich nichts.“

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